Einleitung
Es ist nun schon fast 3 Jahre her und es kennen viele Menschen eine Geschichte zu den damaligen Ereignissen um den Vulkan mit dem lustigen Namen. Hier ist meine.
(Ich habe es leider nicht übers Herz gebracht sie noch weiter zu kürzen, sorry)
Ich hatte das Glück im April 2010 geschäftlich (mit Boinx Software, die ich immer noch sehr schätze) nach Las Vegas reisen zu dürfen, um dort mit Kollegen den Boinx-Messestand zu betreuen. Die Hinreise verlief ungewöhnlich aber erfreulich: Durch einen Stau auf dem Autobahnzubringer kam nicht nur unser Chef, sondern auch die gesamte Flighcrew ca. 1h nach Abflugzeit am Gate an. In London dann die freudige Nachricht, dass das gesamte Team (5 Mann) für den Weiterflug nach Los Angeles auf Business Class upgegradet wurde. Kurzer Eindruck:
Der ursprüngliche Plan war: Rückflug am Samstag den 17.4.2010, Ankunft in München dann am Sonntag den 18.4.2010. Anschließend hatte ich für den Freitag danach, also 23.4. eine private Reise nach Bali geplant. 5 Tage Puffer sollten eigentlich reichen.
Las Vegas ist großartig verrückt und ich würde gerne noch mal hin. Gegen Ende der Messe kam in den Nachrichten auf, dass sich eine Aschewolke von Island nach Europa bewege und es Probleme mit dem Flugverkehr geben könnte. Wir machten noch Witze und veräppelten die (ebenfalls Deutschen) Standnachbarn auf der Messe, die planmäßig ein paar Tage früher als wir den Heimweg antreten sollten. Unwissend was da noch kommen sollte.
Zurück in L.A., bereit für den Rückflug, rechneten wir zunächst mit ein, zwei Tagen Verspätung. Am Morgen des 17.4. kam dann die Nachricht von British Airways: Flug komplett gestrichen, weitere Infos nicht möglich. Jetzt war mir nicht mehr nach Scherzen. Was wird aus der bereits bezahlten Bali-Reise? Wie lange dauert die Luftraumsperrung? Wie viel saubere Unterhosen habe ich noch dabei? Meine Kollegen blieben relativ gelassen (verständlicherweise, hat man nicht gerade eine andere Reise geplant gibt es schlechtere Orte als Kalifornien im Frühjahr),
Stunden später eine erste vage Information: Rückflug frühestens in 12 Tagen. Das hat sich wie ein Schlag ins Gesicht angefühlt. Drama von zuhause am Telefon. Nachdenken und improvisieren (ich behaupte das kann ich gut). Wird die Bali-Reise stattfinden? Welche Flughäfen in Europa haben noch geöffnet? Airline anrufen war sinnlos. BA-Schalter am Flughafen war ahnungslos.
Satellitenbild vom 16.04.:
Alternativen? Recherche im Internet Flug von L.A. über Australien oder Asien nach Bali. Ca. 25 Stunden über Taipeh wäre möglich und preislich OK. Keiner wusste ob der Bali-Flug in 5 Tagen wirklich stattfindet. Riskieren am Ende allein in Bali zu stehen? Nein. Weiter suchen: Route über Tel Aviv ginge. Zu weit weg von zuhause. Istanbul? Offen aber schwierig, dort will man dann ggfalls auch nicht festsitzen. Madrid!!! Madrid hatte noch offen.
Wieder unwissend dass es ganz anders kommen sollte fasste ich folgenden Plan: Sonntag 18.4. früh morgens: Flug mit Mexicana sehr früh von L.A. nach Cancun. Von dort Nachtflug weiter mit Air Europa nach Madrid. Geplante Ankunft in Madrid Montagmittag, von dort kein Weiterflug möglich,daher am frühen Abend den Nachtzug nach Paris. Dienstagmorgen von Paris nach Deutschland/München mit ICE.
Los gehts!
Am Vorabend sitzen wir zusammen im Hotelzimmer und wir trinken noch ein Bier zusammen. Am frühen Morgen verabschieden mich alle Kollegen in L.A. an der Sicherheitskontrolle. Komische Stimmung herrscht, der Trip ist ja durchaus nicht ohne. Ich spreche fast kein Spanisch. Und ich kippe mir noch vor der Sicherheitskontrolle Kaffee über den Pulli, den ich die nächsten 2 Tage tragen sollte. Ein gutes Zeichen? Man weiß ja nie...
Es begann mit dem Mexicana-Mitarbeiter am Checkin (bitte mit mexikanischem Akzent vorstellen!). "Der Koffer kann nicht bis Madrid geleitet werden und muss in Cancun durch den Zoll". Wirklich? "Moment ich glaube er geht doch durch bis Madrid". Gut! "Ach nein, doch nicht…" Können Sie bitte ihren Supervisor holen? "Wir checken ihr Gepäck durch bis Madrid, das ist gar kein Problem". Ahja, danke. Ich glaube euch kein Wort mehr…
Ich dachte das Essen an Bord bei Mexicana war schlecht, aber es sollte die letzte wirkliche Mahlzeit der Reise sein (Das erklärte dann auch warum ich die Flight Crew noch am Gate mit McDonalds-Tüten gesehen habe). Erwähnenswert sonst nur dass der Amerikaner natürlich stilecht mit Cowboyhut in den Urlaub fliegt und der Flieger der Mexicana tatsächlich einen guten Eindruck machte… Nach etwa 3.5 oder 4h ruhigen Flug Ankunft in Cancun.
Cancun ist kein Drehkreuz, also das Terminal verlassen und mit einem Shuttlebus zu einem anderen Terminal, das heisst volles Einreiseprozedere für Mexiko. Die Dame an der Einreisekontrolle konnte ich nicht überreden, mich ohne Gepäckformular einreisen zu lassen (ich hatte kein Gepäck bei mir). Es waren nur Formulare in Spanisch übrig. Als ich nach einem englischsprachigen Formular fragte, wurde mir eben ein bereits ausgefülltes vorgelegt, ich könne ja die Felder dann mit dem spanischen Formular vergleichen, was welche Angabe steht... Es war unglaublich heiss.
Am erneuten Checkin Chaos, Horden von spanischen Chartertouristen. In der Warteschlange kam ich mit 2 weiteren gestrandeten Deutschen ins Gespräch, die den gleichen Weg wie ich nehmen wollten. Großes Glück: Einer spricht fließend Spanisch. So scheiterten die Mexikaner mit dem Versuch, mir die bei Buchung bezahlte Sicherheitsgebühr noch mal in bar abzunehmen… Meine Laune besserte sich bei einem Bierchen und Unterhaltung mit den Leidensgenossen.
Air Europa Langstrecke ist die Hölle. Spanier sind nicht gerade dafür bekannt ihre Kinder zu disziplinieren. Service war quasi nicht vorhanden, 2x Getränke während 8h Stunden Flug. Das Essen würde ich als solches nicht bezeichnen. Die Knie berührten selbst aufrecht sitzend den Vordersitz (ich bin wahrlich kein Riese). So gut wie kein Schlaf.
Landung in Madrid, ausser Lissabon der letzte Flughafen in Europa der noch geöffnet war. Immerhin der Koffer war da. Meine Leidensgenossen und ich beschlossen bis Deutschland zusammenzubleiben. Der Flughafenschalter der RENFE (spanische Bahn) war hoffnungslos überfüllt, also sind wir direkt zum Bahnhof in der Stadt, an dem der Nachtzug nach Paris abends abfahren sollte.
Der nächste Hammer: Meine Freunde, die Franzosen, streiken mal wieder, kein Zug fährt heute mehr über die Grenze. Morgen "vielleicht". Mittlerweile war Montagmittag. Noch 4 Tage bis zum geplanten Abflug in den Urlaub.
Was tun? Wieder nachdenken, abwägen, Pläne durchspielen. Flughäfen sind weiterhin zu. Um der Heimat etwas näher zu kommen nahmen wir den Zug nach Barcelona. Das geht sehr gut, denn (im Gegensatz zu Deutschland) bolzt der Hochgeschwindigkeitszug die 620km in 2,5h nonstop durch. Endlich etwas Schlaf!
In Barcelona wurde es richtig dramatisch. Auch nur Züge bis zur französischen Grenze. Kein einziger Mietwagen verfügbar. Tumultartige Szenen auf dem Bahnhofsplatz, der auch als Busbahnhof dient. Busse müssen sich den Weg durch Menschenansammlungen bahnen. Leute saßen heulend auf dem Boden. Das spanische Fernsehen war da. Das waren ohne Übertreibung Bilder die man sonst nur aus Krisengebieten im Fernsehen sieht. Ein starkes Gewitter zog auf, Blitz+Donner. Ein Regisseur hätte die Szene nicht besser inszenieren können. Wir hören von anderen Gestrandeten Geschichten über "entführte Mietwagen", es gab wohl Leute die einfach mit dem spanischen Mietwagen nach Deutschland gefahren sind obwohl sie das nicht dürften. Für uns gab es sowieso keinen Wagen mehr. Die lokalen Taxifahrer kreisten wie die Geier um die hunderten Menschen, die sich wegen dem Unwetter unter ein kleines Dach zwängten. Was sollen wir tun? Lieber in Barcelona übernachten? Aber was ist dann morgen? Die Zeit drängte mich...
Nach langen Verhandlungen mit mehreren Taxifahrern entschieden wir uns mit dem Taxi die mal wieder streikende Grande Nation zu durchqueren. Mittlerweile war es Montagabend. Aber wohin? Zu dritt haben wir uns die Kosten (einige hundert €!) geteilt, und dank Internet entschlossen wir uns für die "nächstgelegene" Stadt von der wieder Züge verkehren: Genf. Also zu dritt mit dem spanischen Taxi über Nacht von Barcelona nach Genf. 3 große Koffer, einer davon in der Mitte auf der Rückbank. Ein übermüdeter spanischer Taxifahrer der kein Wort Englisch spricht. Nur eine Semmel gegessen seit Cancun.
Ich dachte in Frankreich werden Tempolimits streng kontrolliert, der Fahrer dachte anders. Also sind wir mit 150km/h durch die Nacht gebrettert. Französische Raststätten haben nachts anscheinend geschlossen, nur Tankstellen hatten offen. Ich schlief halb auf meinen Koffer gelehnt alle paar Minuten ein. Die Stimmung war am Boden, Übermüdung, Heizung im Auto defekt, die rasante Fahrt, die schon zurückgelegte Strecke. Alles wurde zunehmend surreal für mich. An der Schweizer Grenze kleinere Probleme, da der Fahrer nicht wusste, was eine Vignette für die Schweiz sein soll, und das erst trotz Sprachunkenntnis mit den Grenzbeamten ausdiskutieren wollte.
Ankunft am Bahnhof in Genf zum Glück körperlich unversehrt am Dienstag um 4:00 morgens. Der Fahrer hat sich nach einem Kaffee gleich wieder auf den Weg zurück gemacht, das Taxi sollte zum Schichtwechsel wieder in Barcelona sein. Er hatte einige hundert Euro an uns verdient, aber noch gemeckert wo das Trinkgeld sei… Ich hoffe er ist lebend angekommen.
Erneut dramatische Szenen: Es hatte ca 7 Grad, Menschen lagen draußen auf dem Boden der Bahnsteige oder über ihr Gepäck gekauert, mit kleinen weinenden Kindern. Reisegruppen die nicht wussten wohin. Auch hier die Auswirkungen der Luftraumsperrung kombiniert mit dem französischen Bahnstreik (das nehme ich den Franzosen heute noch übel!). Hier verabschiedete ich mich von meinen beiden deutschen Begleitern. Sie mussten weiter nach Norddeutschland, ich erstmal nach Zürich um nach München zu kommen.
Wenn ich das nicht geträumt habe hat man aus dem Zug am Genfer See eine wirklich schöne Aussicht! Irgendwo in der Region Bern wurde es im Zug rappelvoll, auf einmal saß ich mitten im Berufsverkehr. Wieder so eine surreale Erfahrung, zuerst hatte ich den Wagen für mich allein, dann war der Wagen plötzlich total voll. Ich hörte Musik und schlief immer wieder ein. Dann war ich wieder allein im Wagen. Noch einmal umsteigen in Zürich in den Zug nach München. Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Am Ende (in jeder Hinsicht) war ich am frühen Dienstagnachmittag, dem 20.4., zuhause, und bin erstmal in die Badewanne.
Insgesamt war ich >46 Stunden unterwegs, total aufgekratzt, übermüdet + ungeduscht, aber es hat sich gelohnt. Die nächstenTage normalisierte sich der Flugverkehr und der Urlaub fand wie geplant statt. Bali ist großartig! Meine beiden Begleiter haben sich leider trotz Email nie wieder gemeldet… Die Arbeitskollegen kamen am Ende mit ca. 1 Woche Verspätung nach Hause. Diese Geschichte werde ich sicher den Rest meines Lebens nicht vergessen.
Mehr Informationen über die damalige Sperrung des Flugverkehrs (und den Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull) bei Wikipedia.
Danke fürs Lesen!